Ein bisschen Heimweh nach Deutschland bleibt

Martin Mittendorff ist h_da-Absolvent mit Doktortitel und verfolgt nun seine wissenschaftliche Karriere in den USA weiter

Schon für seine Diplomarbeit in Optotechnik und Bildverarbeitung an der Hochschule Darmstadt erhielt er 2010 die Note "sehr gut", am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf schrieb Martin Mittendorff dann in einem kooperativen Promotionsverfahren seine Doktorarbeit und schloss mit "magna cum laude" ab. Der 36-Jährige entwickelte unter anderem einen ultraschnellen optischen Breitband- Detektor, der Lichtpulse innerhalb von nur 40 Pikosekunden in elektrische Signale umwandelt. Heute arbeitet der h_da-Absolvent als Post-Doc an der University of Maryland in den USA.

Es ist Freitagnachmittag. An der Hochschule Darmstadt haben sich viele schon ins Wochenende verabschiedet, doch tausende Meilen entfernt, an der Ostküste der USA, hat der Tag für Martin Mittendorff auf dem Campus gerade erst begonnen. Es ist 9 Uhr und der 36-Jährige hat noch ein straffes Programm vor sich. Heute ist sein Büro-Tag, an dem er die administrativen Dinge erledigen muss, die unter der Woche liegen bleiben. Außerdem will er noch einen Artikel für die Veröffentlichung im wissenschaftlichen Journal "Nano Letters" fertig schreiben. Martin Mittendorff arbeitet als Post-Doc am "Institute for Research in Electronics & Applied Physics" (IREAP) an der University of Maryland, nur wenige Autominuten von der Hauptstadt der USA entfernt. Es ist eine der altehrwürdigen Hochschulen im Osten Amerikas mit grünem Campusgelände und historischen Backsteingebäuden samt opulentem Säulenportikus, genauso wie man sich amerikanische Universitäten vorstellt.

In einer halben Stunde ist Mittendorff mittendrin im Getümmel von Washington D. C, er ist schnell in New York und ebenso rasch in den umliegenden Nationalparks. Er schwärmt von der "Natur, die so wild und unberührt ist und nach der man so in Deutschland lange suchen muss". Und dennoch freut er sich immer, wenn ein Anruf aus Deutschland kommt oder er "von seiner alten Hochschule Darmstadt hört". Mit seinem Ko-Doktorvater an der h_da, Prof. Joachim Ohser vom Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften, hält er Kontakt. Ein bisschen Heimweh bleibt halt immer.

Seit September 2014 arbeitet der 36-Jährige an dem elektrotechnischen Forschungsinstitut der US-amerikanischen Universität. Am IREAP forscht Mittendorff an Kurzpulslasern und 2-D-Materialien. Wie schon bei seiner Doktorarbeit in Darmstadt und Dresden konzentriert er sich auf die Verwendung von Graphen, einer Kohlenstoffmodifikation, die er für Laien als eine hauchdünne Graffitscheibe beschreibt. Aktuell befasst er sich mit schwarzem Phosphor. Diese chemische Verbindung lässt die Erzeugung von Photonen durch elektrischen Strom zu, auch kann die Leitfähigkeit des Phosphors nahezu ausgeschaltet werden, was sich positiv auf die Effektivität von Detektoren im mittleren Infrarotbereich auswirkt.

Martin Mittendorff ist einer der bisher noch nicht so zahlreichen Absolventen der Hochschule Darmstadt, der in einem kooperativen Promotionsverfahren 2014 seinen Doktortitel gemacht hat. Sein späterer Ko-Doktorvater an der h_da, Professor Joachim Ohser, hatte ihn bereits während der Diplomarbeit an die TU Dresden und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf vermittelt. Eine Promotion hatte Mittendorff nicht von Anfang an im Sinn gehabt, doch bei einem früheren Praxissemester hatte er sein Interesse für die Lasertechnik entdeckt. Prof. Ohser half ihm daher, den Kontakt zu dem Forschungszentrum in Ostdeutschland zu knüpfen "und daraus hat sich dann später die Doktorarbeit ergeben", erinnert sich Mittendorff.

Bei seiner mit "magna cum laude" gewürdigten Promotion entwickelte der h_da-Absolvent einen fotovoltaischen Detektor auf der Basis von Graphen. Dieser Sensor mit nur einem Hundertstel Millimeter Durchmesser kann einfallende Lichtpulse der Länge von 40 Pikosekunden, also Billionstel einer Sekunde, registrieren. Erstmals konnte somit ein ultraschneller Detektor einen Spektralbereich von drei Größenordnungen - vom sichtbaren Bereich bis zum Infrarotlicht - abdecken. Eine Arbeit, "die der Entwicklung moderner Lasertechnologien neue Impulse verleiht ", lobte Prof. Ohser 2015.

Martin Mittendorff hat mit 27 Jahren sein Studium an der Hochschule Darmstadt begonnen. Zuvor hatte der gebürtige Heilbronner eine Ausbildung als Radio- und Fernsehtechniker abgeschlossen und viele Jahre bei der Bundeswehr deutschlandweit als Fernmelde-Spezialist und Kalibrierer gearbeitet. Eigentlich wollte er Elektrotechnik studieren, "doch als ich vom Studiengang Optotechnik und Bildverarbeitung las, war ich Feuer und Flamme." Mittendorff informierte sich gründlich, daher hielt das Studium für ihn "keine bösen Überraschungen bereit. Ich bin da sehr zielstrebig rangegangen und es hat Spaß gemacht", sagt er.

Bei seiner Doktorarbeit dagegen lief es nicht immer ganz so rund. "Für jemanden, der von der Universität kommt, ist es einfacher. Die können gleich loslegen", erzählt der 36-Jährige. Doch die Kollegen an der TU Dresden und am Helmholtz Zentrum waren offen, "es gab dort mehrere FH-Doktoranden". Betreut wurde er in dem kooperativen Promotionsverfahren von einem Doktorvater an der Hochschule Darmstadt und der TU Dresden. Vorab musste der jedoch einen Wissenscheck ablegen sowie zusätzliche Prüfungen an der TU leisten, unter anderem in Festkörperphysik, Halbleiter-Quantenstrukturen und Quantentheorie. Das war anstrengend und vor allem die Quantentheorie hat ihn viele Nerven gekostet. Die Prüfung bestand Mittendorff erst im dritten Anlauf und auch nur knapp. "Ich war kurz vorm Verzweifeln", erinnert er sich, doch er hielt durch. "Heute versuche ich, der Quantentheorie möglichst aus dem Weg zu gehen", lacht er. Man kann eben nicht alles können und seine Doktorarbeit schloss der 36-Jährige trotzdem mit sehr gutem Ergebnis ab.

Als dann das Angebot für die Post-Doc-Stelle in den USA kam, zögerte er nur kurz. So lange eben, wie man mit Frau und Familie abklären muss, "ob man wirklich auf einen anderen Kontinent ziehen will", sagt er. Doch der Aufenthalt in Amerika war ein Traum aus Teenager-Tagen und so griff Mittendorff zu. Das erste halbe Jahr verbrachte er allein in Maryland, dann kam seine Frau, frischgebackene Chemie-Ingenieurin, nach. Im August erwarten sie ihr erstes Kind.

Mittendorffs Stelle ist bis Herbst 2016 begrenzt, "aber ich habe an der Universität einen guten Stand und gute Chancen auf eine Anstellung als Wissenschaftler", berichtet er. Die Arbeit als Projektleiter wäre dann unbefristet, die Bezahlung jedoch an Drittmittel gebunden. Doch Dritt-oder Projektmittel, erzählt der h_da-Absolvent, lassen sich in den USA leichter einwerben als in Deutschland.

Der Ex-Darmstädter fühlt sich an der amerikanischen Uni wohl, "der Umgang mit den Kollegen und die Projektabläufe sind ähnlich wie in Darmstadt oder am Helmholtz-Zentrum Dresden". Auch die Alltagsunterschiede zwischen Deutschland und der Ostküste empfindet er als gering, "allerdings sind die Sommer hier deutlich schöner und länger". Mit einem Vorurteil räumt Mittendorff jedoch gründlich auf: Nämlich damit, dass in den USA weniger Verwaltungsaufwand anfalle. "Die Bürokratie ist grauenvoll." Bei der Umschreibung seines deutschen Führerscheins erlebte er Dramen und seine Steuererklärung muss er gleich dreifach anfertigen.

Ob und wie lange er und seine kleine Familie in den USA bleiben werden, weiß er noch nicht. "Mein Traum wäre eine Professoren-Stelle", sagt der Vater in spe. Doch die sind dünn gesät, in Deutschland noch dünner als jenseits des Atlantiks.

Autorin

Astrid Ludwig