Das erste präsenzfreie und somit fast komplett digitale Semester der h_da ist gestartet. Lehrende und Verwaltung hatten in den Wochen zuvor in einem Kraftakt die Weichen hierfür gestellt. Welche ersten Erfahrungen haben Professorinnen und Professoren mit dem ungewöhnlichen Semesterstart gemacht? Eine Momentaufnahme.
Normalerweise würden die Blicke von Prof. Dr. Katrin Luise Läzer in die Reihen ihrer Studierenden am Fachbereich Soziale Arbeit schweifen. Neuerdings fixiert sie die Kameralinse und richtet sich per Videovorlesung an sie. Katrin Luise Läzer steht in einem vom Hochschulzentrum für Studienerfolg und Berufsstart (HSB) zum Filmstudio umfunktionierten Hörsaal im Hochhaus und nimmt dort das Angebot wahr, ihre Vorlesungen aufzeichnen zu können. „Unsere Studierenden müssen mehrheitlich Geld verdienen, einige haben Familie“, erläutert sie. „Um insbesondere ihnen die höchste zeitliche Flexibilität zum Lernen zu bieten, habe ich mich für das Aufzeichnen der Vorlesung mit begleitenden Texten und Slides für das Selbststudium entschieden.“
Ganz neu ist ihr die virtuelle Situation allerdings nicht. Per Skype oder Social Media war sie auch schon vor Corona mit jenen Studierenden verbunden, die zum Beispiel im Rahmen des von ihr geleiteten Studiengangs „Soziale Arbeit Plus – Migration und Globalisierung“ im Ausland sind und daher aus der Ferne betreut werden. Doch nun, „unter den Bedingungen der physischen Distanz und Abstinenz in das ´Nichts´ eines Seminarraums zu sprechen, das ist eine große Herausforderung. Es fehlt die lebendige Interaktion, in der auch humorvolle Situationen und interessante Debatten entstehen.“
Neuartiges Semester bietet auch Chancen
Ähnlich sieht es Fachbereichskollegin Prof. Dr. Yvonne Haffner. „Studieren ist mehr, als nur den notwendigen Stoff zu erlernen. Hier geht es auch um das Erlernen eines bestimmten Habitus und das geht meiner Meinung nach nicht ohne persönlichen Kontakt.“ Sie vermutet, dass den Studierenden auch der Kontakt untereinander fehlen wird, das gemeinsame Lernen, der Austausch. „Das sollten wir nicht unterschätzen.“ Hierzu und zu weiteren möglichen Hürden führt der Fachbereich gerade eine Umfrage unter seinen Studierenden durch. „Es zeigt sich bereits, dass nicht alle Studierenden über die notwendige Technik verfügen, dass sie in der aktuellen Situation nicht immer die notwendigen räumlichen und zeitlichen Bedingungen haben, die für ein Online-Studium nötig wären, und manche wissen nicht, ob sie sich ausreichend motivieren können“, führt Professorin Haffner aus.
Doch sie sieht auch die Chancen des neuartigen Semesters. „Spannend finde ich, dass wir das jetzt einfach umsetzen, umsetzen müssen, und daher Lehrformen ausprobieren, an die man vorher nicht gedacht hat. Keiner erwartet, dass alles perfekt läuft – das ist ein beruhigendes Gefühl.“ Diese Macher-Mentalität seiner Kolleginnen hat auch Prof. Dr. Thomas Döring aus dem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften. Wie viele andere auch nutzt er Moodle und Videokonferenztools für seine digitale Lehre. Zusätzlich hat er einen eigenen You tube-Kanal eingerichtet, auf den seine Studierenden zugreifen können. Hier stellt er Lernvideos ein zu jenen Aspekten seiner Lehre, „die erfahrungsgemäß besondere Verständnisschwierigkeiten beinhalten.“ Wochenendschichten hat Döring für die Produktion seiner Lernvideos eingelegt und dabei bislang schon mehr als 80 Clips in diesem Semester produziert.
Zeitintensive Vorbereitung
Prof. Dr. Sven Rogalski aus dem Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik experimentiert ebenfalls mit audiovisuellen Elementen in der digitalen Lehre. Mit dem Bildschirmmitschnitt-Programm Camtasia kann er Audiosequenzen zu seinen Vorlesungsfolien einsprechen und sie gleichzeitig mit Videos zu praktischen Fallbeispielen aus seinen Laboren anreichern. In Zoom-Meetings tritt er mit seinen Studierenden nach der Veröffentlichung einer Lerneinheit live in Kontakt, um Fragen zu beantworten. Moodle nutzt er als digitale Ablagemöglichkeit von Vorlesungs- und Laborunterlagen sowie dazu, Abgaben von schriftlichen Ausarbeitungen seiner Studierenden online zu ermöglichen und Einverständniserklärungen für seine videobasierten Lerneinheiten einzuholen.
Gerade die audiovisuelle Aufbereitung von Lerneinheiten empfindet er als sehr zeitintensiv. „Für mich bedeutet das einen zirka fünfmal höheren Vorbereitungsaufwand als bei einer Präsenzveranstaltung“, sagt Prof. Rogalski. Dennoch ist auch er beständig am Ausbessern und Suchen neuer Wege. Derzeit arbeitet er an Alternativen zu Präsenzlaboren, um praktische Fertigkeiten zu vermitteln. „Zum Beispiel in Form von Übungen, die über Software-Simulationen getestet werden.“
Am Fachbereich Architektur wendet sich das Dekanat in wöchentlichen, halbstündigen Videosendungen an die Studierenden. „Nach den stark gestiegenen Studierendenzahlen haben wir nun die Hoffnung, unsere Studierenden wieder direkter erreichen zu können“, äußert sich Prodekan Prof. Kristian Kaffenberger zu den Chancen, die das digitale Semester mit sich bringen könnte. Zum Aufzeichnen von Vorlesungen hat der Fachbereich in einem seiner Hörsäle ein Filmstudio eingerichtet. Der Austausch zwischen den Kursen, der sonst meist auf den Fluren oder im Foyer um das Fachbereichscafé „MilchBAR“ stattfinden würde, geschieht nun über die Chatplattform Mattermost. „Insgesamt ist eine echte Aufbruchstimmung zu spüren, diese Welle zu reiten“, nimmt Kristian Kaffenberger die digitale Herausforderung sportlich.
„Mir fehlt schon jetzt der Kontakt zu den Studierenden“
Für eine Online-Echtzeitvorlesung mit 170 Studierenden hatte sich Prof. Dr. Shyda Valizade-Funder aus dem Fachbereich Wirtschaft zum Auftakt des digitalen Semesters entschieden. Auch sie musste sich intensiv hierfür vorbereiten und war kurz vor dem Start mit einem Gefühl konfrontiert, das sie in diesem Zusammenhang lange nicht mehr kannte. „Ich war schon etwas aufgeregt“, sagt sie. „Das hatte ich schon seit Jahren nicht mehr. Es gehen einem einfach viele Dinge durch den Kopf: Klappt es mit der Technik, stimmt das Tempo der Veranstaltung? Man spricht bei einer so großen Gruppe ja einfach in eine Kamera, ohne die Reaktion der Studierenden sehen zu können.“
Sie beobachtet an sich, dass die digitale Umstellung dazu beiträgt, sich noch intensiver mit den Lehrinhalten auseinanderzusetzen: „Wie vermittle ich die Inhalte ausschließlich online? Wie schaffe ich auch bei großen Gruppen sinnvolle Interaktionsphasen?“, sind einige der Fragen, die sich Professorin Valizade-Funder stellt. „Es wurde zunächst notwendigerweise viel über Technik und Tools nachgedacht – weniger über didaktische Belange. Aber auch Lernmethoden, Lernziele und Prüfungsformate müssen angepasst werden.“
Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen ist sie sich sicher, dass einige der digitalen Formate flankierend zur Präsenzlehre vor Ort bestehen bleiben werden. „Das E-Teaching-Format hat sicher seine Vorteile, es ist orts- und zeitunabhängig“, sagt Prof. Dr. Shyda Valizade-Funder. „Es ersetzt aber die unmittelbare persönliche Begegnung nicht.“ Das sieht auch Prof. Dr. Thomas Döring so. „Mir fehlt schon jetzt der unmittelbare Kontakt zu den Studierenden doch sehr, der für mich den Beruf eines Hochschullehrers maßgeblich ausmacht. Dieser direkte Kontakt und die damit verbundene Lebendigkeit von Lern- und Diskussionskultur können weder durch Video-Konferenzen noch durch vergleichbare digitale Interaktionstools ersetzt werden. Hier liegen eindeutig die Grenzen des digitalen Semesters.“ Doch an eine Rückkehr zum reinen Präsenzunterricht ist nach wie vor noch nicht zu denken. Und so wird auch sein Blick vorerst eher auf eine Kameralinse gerichtet sein, als in die Reihen seiner Studierenden zu schweifen.
Text: Simon Colin/Hochschulkommunikation