„Stoff für viele Kinofilme“ – h_da hilft bei der Digitalisierung von Liebesbriefen

Die Liebesbriefe, die Prominente wie Goethe, Marlene Dietrich oder Bertolt Brecht schrieben, sind hinreichend bekannt und dokumentiert. Was aber ist mit den werbenden, verzweifelten oder zärtlichen Zeilen, die ganz „normale“ Menschen an ihre Liebsten adressieren? Mit diesen Zeugnissen der Alltagskultur befasst sich das Forschungsprojekt „Gruß und Kuss – Briefe digital. Bürger*innen erhalten Liebesbriefe“. Zu dem Gemeinschaftsprojekt mit der TU Darmstadt, der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt und der Universität Koblenz steuert die h_da Know-how im Bereich Digitalisierung und Informationswissenschaft bei. Aus diesem Citizen Science-Projekt soll ein digitales Liebesbriefarchiv entstehen, das bürgerwissenschaftliche Partizipation ermöglichen wird.

Von Nico Damm, Redakteur Hochschulkommunikation

Zurückgreifen können die Forschenden auf das Liebesbriefarchiv, das Professorin Eva L. Wyss vom Institut für Germanistik der Universität Koblenz aufgebaut hat. Vor 30 Jahren begründete sie zunächst an der Universität Zürich die Sammlung, nachdem Privatleute aus der Schweiz und Deutschland ihr nach Aufrufen in den Medien über 6.000 Liebesbriefe für ihre Sprachforschung gespendet hatten. Gemeinsam mit TU-Professorin Andrea Rapp konnte dieser Bestand seit 2015 auf heute über 20.000 Briefe und Briefwechsel ausgebaut werden. Das analoge Archiv, heute im Besitz der Uni Koblenz, bildet den Grundstock für das Verbundprojekt, das von der TU Darmstadt koordiniert wird.

Schwerpunkt der h_da ist die Digitalisierung und des digitalen Zugang der bislang größtenteils analogen Briefsammlung: Prof. Dr. Stefan Schmunk vom Fachbereich Media widmet sich als Experte Fragen der Digitalisierung von Kulturgut, dem Umgang mit Forschungsdaten und Digitale Bibliotheken unter anderem der „Love-Coding-App“: Diese soll Bürgerinnen und Bürgern, aber auch anderen Projektbeteiligten dabei helfen, die Briefe digital zu erschließen und zu erfassen. Geplant ist unter anderem, die Briefe zu transkribieren und zu verschlagworten, um mehr über die sprachlichen Besonderheiten verschiedener Epochen oder soziokultureller Milieus zu erfahren. Angedacht ist auch eine Transkription via Spracheingabe („Speech to text“), damit ältere Personen, die Sütterlin lesen, aber nicht tippen können, Briefe vorlesen und damit zur Digitalisierung beitragen können.

Informationswissenschaftler Schmunk erhofft sich von dem Citizen-Science-Ansatz einen frischen Blick auf das Archiv: „Wir wollen gemeinsam mit Bürger*innen überlegen, wie wir mit dem Material umgehen können und Ideen generieren – vergleichbar mit einem Think Tank für bürgerwissenschaftliche Forschung“, sagt Schmunk im Interview mit dem h_da-Wissenschaftsmagazin „impact“. Gleichzeitig zeigt er sich begeistert von den sehr privaten und zugleich historisch relevanten Briefen: „Es steckt Stoff für eine Vielzahl von Kinofilmen darin.“

 

Förderung

„Gruß und Kuss“ hat eine Laufzeit von April 2021 bis März 2024 und wird im Rahmen des Förderbereichs Bürgerforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es gehört zu den aus 460 Bewerbungen ausgewählten 15 Projekten, die bis Ende 2024 die Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler inhaltlich und methodisch voranbringen und Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen geben sollen. Weitere Informationen unter:

https://www.bmbf.de/de/buergerforschung-225.html

http://www.buergerschaffenwissen.de/

 

Ein Bündel Liebesbriefe aus dem Liebesbriefarchiv an der Universität Koblenz. Foto: Universität Koblenz-Landau/Archiv