Da geht Meer!

Sie ist mit digitalen Medien großgeworden. Das nutzt sie, um mobil aus dem Ausland zu arbeiten – aber auch, um ihr analoges Leben auszukosten. Hannah Schürr hat Veränderung und Bewegung im Blut. Sie ist neugierig, sportverrückt und reisefreudig. Schreiben und Reisen sind die Leidenschaften der Media-Absolventin. Mit knapp 30 hat sie schon viele Erfahrungen gesammelt. Ihre größten Projekte aber sieht sie noch vor sich.

Hannah Schürr ist Digital Native, eine „digitale Eingeborene“. Technik-Begeisterung wurde ihr in die Wiege gelegt. Die Neugier muss gleich daneben gelegen haben. Ihre Eltern lernten sich an der RWTH in Aachen kennen, wo Hannah auch 1993 zur Welt kam. „Ich war immer von Rechnern umgeben“, erinnert sie sich lachend. Da sie leidenschaftlich gerne schreibt, ist ihr Job nur folgerichtig: Social-Media-Managerin und Texterin. Sie ist bei einer Berliner Agentur angestellt, arbeitet nebenbei freiberuflich. Sie ist digitale Nomadin, in Südhessen fest verwurzelt und in Gran Canaria verliebt. Sie ist noch keine 30, verlobt und demnächst Gründerin. Aber von vorn.

Nach Stationen in den Niederlanden und München landete die Familie in Südhessen, genauer: Münster bei Dieburg. Hannah machte 2012 in Dieburg Abitur, studierte danach auf dem Mediencampus der h_da Online-Journalismus. Von ihrem dritten Semester an gehörte sie dem studentischen Trainerpool der h_da an. „Ich wurde ausgebildet, um anderen Studierenden in Workshops Skills zu vermitteln, die sie für Studium oder Beruf brauchen – zum Beispiel in wissenschaftlichem Arbeiten, Stressmanagement oder Projektmanagement. Dabei habe ich selbst irre viel gelernt und mich permanent weitergebildet.“

Zeilenabenteuer mit Rafael

Da sie noch günstig bei den Eltern wohnte, konnte sie in den Semesterferien oft reisen – seit jeher ihre zweite Herzensangelegenheit neben dem Schreiben. „Vier Monate Praktikum in Namibia, Taiwan, Thailand, Bali, Singapur, Mexiko, Kuba, Dubai, Australien, Neuseeland“, zählt sie auf, was sie während des Studiums gesehen hat. Europa? Auch, na klar. Hannah spricht neben Deutsch und Englisch auch Französisch und etwas Spanisch. Ihre Website Zeilenabenteuer („Reisen, Texte und Meer“) verschmilzt ihre beiden Leidenschaften. Bei fast allen Reisen dabei: Rafael Mäuer. Die beiden haben sich im Studium in Dieburg kennengelernt, sind seit 2015 ein Paar und inzwischen verlobt.

Auf den Bachelor in Online-Journalismus (2015) sattelte Hannah den Master in Medienentwicklung auf, Schwerpunkte: Social Media Management, Content Creation und App-Konzeption. „Wir lebten inzwischen zu sechst in einem Haus in Darmstadt“, erzählt sie. Teil der Medianer-WG war neben Rafael auch Erdem Turan, Kommilitone Rafaels im Studiengang Interactive Media Design und guter Freund der beiden. Mit Hannahs Masterarbeit – eine Reise-App speziell für Frauen – bewarben sich Hannah, Rafael und Erdem 2018 um ein Stipendium. Das „Social Impact Lab Frankfurt“, eine Initiative für Gründungsberatung, förderte die drei. „Dadurch tauchten wir in die Gründungswelt ein“, sagt Hannah. „Wir lernten viel über Markenbildung, Marketing, Netzwerken und Teammanagement.“

Sprung in die Freiberuflichkeit

Ab Anfang 2019 war Hannah Schürr für zwei Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Alle im digitalen Wandel“ an der h_da. Sie machte Öffentlichkeitsarbeit, Media-Konzeption, Veränderungskommunikation und moderierte einen Podcast. Vieles von dem, was sie im Studium gelernt hatte, wendete sie nun an, knüpfte außerdem neue Kontakte. Rückblickend sagt sie: „Ich bin super dankbar für alles, was die h_da mir mit auf den Weg gegeben hat.“

2020 startete Hannah freiberuflich als Social-Media-Managerin und Texterin. „Mich hat gereizt, über meine Lieblingsthemen zu schreiben: Outdoor- und Adventuresport, Reisen, Bildung, mentale Gesundheit und Ernährung.“ In Instagram, Tiktok, Facebook, Twitter & Co. war sie ohnehin zu Hause. Jetzt bespielte sie diese Kanäle für ihre Auftraggeber:innen. Obwohl ihr Start mit dem ersten Corona-Lockdown zusammenfiel, gewann sie schnell Kunden und ein Gefühl für das freie Arbeiten. Nebenher machte sie per Fernstudium eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin. „Das kann irgendwann mal ein zweites Standbein werden“, sagt sie.

„Arbeiten und Reisen zu verbinden, ist anstrengend“

Im zweiten Lockdown Anfang 2021 wurden Hannah und Rafael zu digitalen Nomaden. Sie reisten durch Europa, zogen anfangs alle paar Wochen weiter, lebten mit Freund:innen in einem Haus in Portugal. Dann blieben sie länger in einer Unterkunft auf Gran Canaria. „Das ist kein Urlaub, wie viele denken. Arbeiten und Reisen zu verbinden, ist definitiv anstrengend.“ Es brauche Selbstmotivation und Selbstdisziplin. „Feierabend und Wochenende gibt es bei uns oft nicht, weil wir für das, was wir tun brennen – manchmal etwas zu sehr. Wir müssen aufpassen, nicht auszubrennen.“ Hannah kann in solchen Situationen auf Familie und Freunde bauen: „Sie fangen mich auf, wenn ich dazu neige heißzulaufen.“

Sport und Ernährung sind Hannahs weitere Energiequellen. Sie surft, fährt Ski und macht Akrobatik. „Ich brauche viel Bewegung als Ausgleich zur Kopfarbeit und versuche, regelmäßig und gesund zu essen. Gut mit meinem Körper umzugehen, ist für mich die Voraussetzung, um dauerhaft leistungsfähig zu bleiben.“ Als Freelancerin und Digitalnomadin hat sie gelernt, was es braucht, um Reisen und Arbeiten zu verbinden. „Es ist weder verrückt noch sonderlich kompliziert, sein Geld zeitweise aus dem Ausland zu verdienen! Du brauchst einen guten Arbeitsplatz, gutes Internet, gute Arbeitsgeräte und eventuell einen guten Bürostuhl.“

Anfang 2022 kehrte das Paar nach Darmstadt zurück. Seit einem Jahr ist Hannah bei Buddybrand angestellt. Für die „Kreativagentur für digitale Markenführung“ (Berlin) arbeitet sie komplett remote, macht für Kunden wie Red Bull Germany oder Toffifee Deutschland Social-Media-Management, Campaigning, Content-Konzeption. „Als Solo-Selbstständige kommt man an solche großen Marken nur sehr schwer ran“, sagt sie. In Absprache mit der Agentur arbeitet sie auch jetzt regelmäßig für einige Wochen auf Gran Canaria. „Inzwischen buchen wir immer das gleiche Airbnb in Las Palmas, das ist unser zweites Zuhause“, erklärt sie. „Die Natur und das Klima sind großartig. Die Infrastruktur ist sehr gut, die lokale Food-Szene riesig, die Menschen sind extrem offen und die Nähe zu Meer, Strand und Surfen ist der Wahnsinn. Wir fühlen uns da einfach wohl. Es ist wie nach Hause kommen.“

Kalkuliertes Risiko statt Nummer sicher

„A ship in a harbour is safe, but that is not what ships are built for.” Das Zitat des amerikanischen Schriftstellers John A. Shedd lässt Hannah seit Jugendtagen nicht mehr los. „Menschen lassen sich zu oft von ihrer Angst leiten, von Gedanken wie ‚Aber was ist, wenn…?‘“, findet sie. „Ich gehe lieber gewisse Risiken ein und nehme in Kauf, auch mal auf die Nase zu fallen.“ Schmalspur, Nummer sicher und Vollkasko-Mentalität – damit kann sie nichts anfangen. „Wir können alle bis ins hohe Alter Neues machen und uns neu erfinden!“ Angestellt oder frei, am Woog oder auf den Kanaren: Hannah Schürr hat Spaß an ihrer Arbeit, lernt ständig dazu und probiert Neues aus. Nach fünf intensiven Berufsjahren weiß sie: „Ich genieße es, im Team zu arbeiten.“

Das nächste Abenteuer steht unmittelbar bevor: „Zum 1. April habe ich gekündigt. Rafael, Erdem und ich gründen unser eigenes Unternehmen“, verrät sie – und ihre Vorfreude schwingt spürbar mit. „Wir entwickeln als ‚Kreativhaus für neue Medien‘ Websites und Apps, konzipieren Social-Media- und Content-Formate und toben uns in der Welt der digitalen Medien aus. Im Fokus: Gleichberechtigung, Bildung, Nachhaltigkeit und Menschen zusammenzubringen.“ Dabei wissen sie weitere Leute an ihrer Seite („junge Digital Natives aus der Kreativbranche“), die mitarbeiten oder Tipps geben können. Die im Studium geknüpften Verbindungen sind jetzt wichtige Stränge ihres persönlichen Netzwerks.

Ein Camp für digitale Nomaden

Und noch ein Vorhaben visiert Hannah Schürr schon an: ein „Digital Nomad Camp“ auf Gran Canaria. „Dort könnten sich Leute einmieten, gemeinsam arbeiten und diesen Lebensstil für einige Wochen testen. Vielleicht holen wir einen lokalen Koch dazu, kooperieren mit einer Surfschule oder organisieren Kinderbetreuung. Das wäre eine coole Sache“, schwärmt Hannah. Sie will auch andere zum mobilen digitalen Arbeiten ermutigen: „Ich will Vorbild sein für Leute, die das gerne machen würden, Tipps geben und Hemmschwellen abbauen.“ Dazu knüpft sie vor Ort schon fleißig an ihrem Netzwerk, hält Ausschau nach einer passenden Unterkunft und führt Gespräche.

Hannah Schürr kennt ihre Ziele und setzt ihre Energie ein, damit ihre Träume wahr werden. Auch das größte Projekt benennt sie klar: „Ich will definitiv eine Familie gründen.“ Denn bei allem Fernweh und Freiheitsdrang ist sie auch Familienmensch: „Gemeinsame Zeit mit Partner, Freunden und Familie ist das Wertvollste!“ Eine stabile Basis in Darmstadt, die zweite Heimat auf den Kanaren, das eigene Unternehmen, die eigene Familie und sicher das eine oder andere spontane Abenteuer. Vor Rückschlägen und Umwegen hat Hannah keine Angst. Aber in einem Punkt ist sie sich sicher: „Es wird auf keinen Fall langweilig.“

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Autor

Daniel Timme
März 2023