„Mit der Kugel fing alles an“

Sie entwickeln pädagogisches Kindespielzeug, aber auch ganz klassisches Industriedesign wie Leuchten, Schweißgeräte oder Messinstrumente für die Optikindustrie. Johannes Mühlig-Hofmann und Falko Schnelle kennen sich seit ihrem Industriedesign-Studium auf der Mathildenhöhe. 2015 haben sich die h_da-Alumni mit ihrem „studio groß klein“ den Traum von der Selbstständigkeit als Produktentwickler erfüllt.

Wie stapelt man Kugeln zu einem Turm? Und wie lässt sich verhindern, dass die bunten Holzelemente beim Spiel dauernd wegkullern und unter Schränken und Tischen verschwinden? Für die Produktentwickler Falko Schnelle und Johannes Mühlig-Hofmann ein Kinderspiel. Sie entwarfen zunächst eine Wanne, in der Kinder mit den Kugeln spielen können, ohne dass sie ständig davon rollen. Später kreierten sie Ringe, mit denen sich die Holzbälle auch stapeln lassen und Stege, auf denen die Kugeln geschickt gelagert werden können. Dann kamen Schrauben und Muttern dazu, drehbare Achsen, Räder oder Zahnräder. Konstruktionsmaterial, mit dem sich Tiere, Autos oder auch Windräder bauen und antreiben lassen. KuKo - Kugelkonzept nennen sie ihr Spielzeug, eine Art rundes Pendant zu den eckigen Bauklötzchen oder Legosteinen. „Wir haben das Konzept Stück für Stück weiterentwickelt und mittlerweile ist ein ganzer Kosmos entstanden“, sagt Falko Schnelle. Ein Kosmos, zu dem mittlerweile auch noch Möbel und Innenausbauten gehören, mit dem gespielt werden kann und in denen sich das Konzeptmaterial anschließend verstauen lässt.


Was Kinder zum Spielen animiert

Pädagogisches und nachhaltiges Spielzeug für Kinder jeden Alters sind das Steckenpferd der beiden h_da-Alumni Falko Schnelle und Johannes Mühlig-Hofmann. Schon seine Diplomarbeit als Industriedesigner entwickelte Schnelle zum Thema Kinderspielzeug. Ihn interessiert, wie man Kinder zum Spielen animieren kann und was sie dabei lernen können. „Ich komme aus einem Pädagogik-Haushalt“, lacht er. Nach dem Studium in Darmstadt leitete der 41-Jährige die Designabteilung eines Kindergartenausstatters und Vertriebes für pädagogische Spielwaren in der Nähe von Gießen. Seinen Freund und Kommilitonen Johannes Mühlig-Hofmann holte er ins Boot und wenige Jahre später, 2015, machten sie sich als Produktentwickler mit ihrem „studio groß klein“ zunächst in Gießen und heute in Heuchelheim (www.studiogrossklein.de) selbstständig.
 „Wir wollen den Traum vom eigenen Büro leben“, sagt Mühlig-Hofmann. Die beiden verstehen sich als Design-Dienstleister für Unternehmen, entwickeln ein Produkt von der ersten Idee bis zur Markteinführung. Darunter finden sich auch Schweißgeräte oder Messinstrumente für die Optikindustrie, Leuchten, Taschen oder ein faltbarer Fahrradhelm – übrigens das Diplomthema von Johannes Mühlig-Hofmann.
Falko Schnelle hat schon als Kind und Jugendlicher gerne gewerkelt, gebaut, mit seinen Händen gearbeitet. Der gebürtige Heidelberger entschied sich 2004 für das Studium in Darmstadt, weil er angewandtes Design entwickeln wollte. „Design, das nützlich ist, nicht nur schön“, sagt er. Die Mathildenhöhe als Ort mit Tradition und Wiege des Kunsthandwerkes, das den Alltag durchdringt, war für ihn der richtige Studienplatz. Johannes Mühlig-Hofmann hatte vor dem Studium für eine Grafik-Agentur gejobbt, zudem eine Ausbildung als CAD-Assistent im Bauwesen gemacht und als eine Art technischer Bauzeichner gearbeitet. Danach begann er ein Architekturstudium in Gießen. „Aber irgendwie hat mir immer was gefehlt“, sagt der Vater zweier Kinder. In Darmstadt hat er dann gefunden, wonach er suchte, eine Mischung aus Technik und Kreativität, ehrlichem Design, Funktion und Qualität. „Auf der Mathildenhöhe habe ich mich sofort wohl gefühlt und das hat mich das ganze Studium über getragen“, betont der Alumnus. 


Gemeinsame Geschichte

Angefreundet haben sich Falko Schnelle und Johannes Mühlig-Hofmann während des Studiums. Sie haben Projekte gemeinsam erarbeitet, aber auch bald gemerkt, dass sie noch eine gemeinsame Geschichte verbindet. Johannes wurde in Italien geboren. Seine Eltern wanderten in die Toskana aus und arbeiteten dort auf dem Landgut einer großen Heidelberger Unternehmerfamilie. Auch Falko Schnelles Eltern und er waren mit dieser Familie verbandelt und bewohnten eine ihrer Immobilien in Heidelberg. „Wir sind also mit denselben Nachbaren aufgewachsen“, erzählen die Alumni.
Frei zu sein im Denken, dieses Gefühl beschreiben beide unisono, wenn sie an ihr Studium zurückdenken. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihnen dabei die Professoren Justus Theinert und Tom Philipps, von denen sie viel gelernt hätten, sagen sie. Die Grenzen zu erweitern, alles in Frage zu stellen, selbstkritisch zu sein, das habe das Studium ihnen gelehrt. Was bedeutet Innovation? Wie kommt man zu wirklich neuem Design im Wechselspiel mit Struktur und Altbekanntem? Fragen, die sie auf der Mathildenhöhe und auch während ihrer Studienaufenthalte in Japan für sich beantworten konnten. Auch hier entdeckten sie Gemeinsamkeiten. „Wir begeistern uns beide für das minimalistische Design und die Kultur Japans“, berichtet Schnelle. Er verbrachte während des Studiums ein Praktikum in Tokyo, Mühlig-Hofmann war zum Austausch an der Partneruniversität Fukuoka und Kyushu. „In dieser Hinsicht verdanken wir der Hochschule Darmstadt sehr viel“, schwärmen sie. „Diese Möglichkeiten waren sehr bereichernd für das Studium. Wir erlebten ganz unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema Design.“ 


Perfekte Ergänzung

In ihrem eigenen Studio ergänzen sich die beiden Alumni heute perfekt. Falko Schnelle bringt den künstlerischen Aspekt ein, Johannes Mühlig-Hofmann einen funktionalen, technikorientierten Schwerpunkt. „Es ist wichtig, wenn der Partner das Projekt von der anderen Seite anschaut und angeht. Das ergänzt und trägt unsere Zusammenarbeit“, betonen die h_da-Alumni. Zwei kleine Assistenten haben sie übrigens auch. Die sechs und zwei Jahre alten Kinder von Johannes Mühlig-Hofmann. Sie sind die ersten, die damit spielen dürfen und ein authentisches Feedback geben, ob die von ihnen entwickelten Produkte Kinderherzen entflammen können. 

Autor

Astrid Ludwig
Dezember 2024