Immer mehr Energie wird dezentral aus Sonne, Wind und Wasser gewonnen. Das ist eine Herausforderung für die Stromnetze: Sowohl die Erzeugung als auch der Verbrauch schwanken. Zeitweise Engpässe und Spannungsprobleme können die Versorgung gefährden. Das Forschungsprojekt "Flex4Energy" hat untersucht, wie Energiespeichersysteme solche Engpässe im Netz vermeiden können, indem sie kurzfristig elektrische Leistung bereitstellen. Diese Flexibilität kann dann auf einem im Rahmen des Projektes entwickelten Marktplatz gekauft oder verkauft werden. Durch diese Flexibilisierung kann die Versorgung mit Strom gewährleistet werden, ohne die Kosten für den Ausbau von Netzleitungen weiter in die Höhe zu treiben. Neue, regionale Marktinstrumente können somit einen wichtigen Beitrag leisten, um flexible Verbrauchs- und Einspeiseanlagen intelligent zu nutzen und so die Energiewende voranzubringen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden am heutigen Freitag, 16. März, an der Hochschule Darmstadt (h_da) der Öffentlichkeit präsentiert.
"Flex4Energy" ist ein Verbundvorhaben, das von der "StoREgio GmbH" (Ludwigshafen) geleitet wird. Projektpartner sind die Hochschule Darmstadt (h_da), die "ENTEGA AG" (Darmstadt), Fraunhofer ISE (Freiburg), Fraunhofer IESE (Kaiserslautern) und "ADS-TEC" (Nürtingen). Die sechs Partner aus drei Bundesländern haben drei Jahre in dem Projekt gearbeitet. Das Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit rund drei Millionen Euro gefördert.
Die Projektpartner haben hierbei einen Marktplatz entwickelt und realisiert, auf dem gezielt regionale Energiedienstleistungen gehandelt werden können. "Netzbetreiber können zum Beispiel den Marktplatz nutzen, um von Betreibern flexibler Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen oder Speichersystemen gezielt Unterstützung einzukaufen. Dies kann ihnen helfen, Investitionen in den Ausbau ihrer Netze zu begrenzen und bringt beiden Seiten Vorteile", erläutert Projektkoordinator Dr. Peter Eckerle, Geschäftsführer der StoREgio GmbH in Ludwigshafen.
Denn die zunehmend dezentrale Energieerzeugung durch Windräder und Photovoltaik-Anlagen sowie neue Verbraucher wie Elektromobilität führt die Stromnetze an ihre Grenzen. Dabei liegt das Problem nicht an einer generell zu knappen Kapazität. Die Herausforderungen ergeben sich durch zeitlich und örtlich begrenzte starke Leistungsspitzen sowohl bei Einspeisung als auch bei Entnahme aus dem Netz. Temporäre Engpässe und Spannungsprobleme können die Folge sein und die Versorgungssicherheit und -qualität gefährden. Ein flächendeckender Ausbau der Netzinfrastruktur zur Abdeckung von Spitzenbelastungen wäre teuer und würde die Strompreise über steigende Netzentgelte in die Höhe treiben.
"Flex4Energy" suchte einen alternativen Ansatz: Die Nutzung sogenannter Flexibilitätspotenziale - die Möglichkeit, Energie zu speichern oder abzugeben. Batteriespeichersysteme sind hierfür besonders geeignet, da sie in beiden Richtungen einsetzbar sind. Durch die zunehmende Verbreitung von Batteriespeichersystemen und die bessere Steuerbarkeit von Anlagen im Zuge der Digitalisierung werden immer mehr Flexibilitätspotentiale an vielen Stellen im Netzgebiet entstehen.
Während technisch der Nutzung dieser Flexibilitätspotentiale nichts im Wege steht, existieren bisher keine Marktinstrumente, über die die beteiligten Akteure Nachfrage und Angebote unkompliziert und in Übereinstimmung mit den geltenden Rechtsvorschriften handeln können. Diese Lücke hat "Flex4Energy" geschlossen: Der Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der Hochschule Darmstadt entwickelte im Rahmen des Projekts erstmals einen Marktplatz, der gezielt den Handel mit regionalen Flexibilitätspotentialen ermöglicht.
Prototypisch zum Einsatz kam der Marktplatz im Netzgebiet der ENTEGA in einem Neubaugebiet in Groß-Umstadt. Ein Batteriespeichercontainer der Firma ADS-TEC dient hier als sogenannter Quartierspeicher zur Pufferung der Energieerzeugung der Solaranlagen auf den Hausdächern. Der Speicher kann seine noch verfügbaren Leistungsreserven als Flexibilitätspotentiale auf dem Marktplatz anbieten und damit ein zusätzliches Einkommen erwirtschaften. Das hilft wiederum der Wirtschaftlichkeit der Investition.
Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE hat zusammen mit ADS-TEC untersucht, wie sich diese zusätzliche Nutzung auf die Lebensdauer der Batterie auswirkt, die über die Zeit deutlich weniger Alterung zeigte als erwartet. Das Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering IESE hat die kritische Frage untersucht, inwieweit durch die Anbindung vieler dezentraler Anlagen an solche Marktplätze Probleme für einen sicheren Netzbetrieb entstehen könnten und wie geeignete Sicherheitskonzepte zu implementieren wären. StoREgio widmete sich der Frage, welche regulatorischen Hürden für den Betrieb eines Flex4Energy-Marktplatzes bestehen und ob sich die Nutzung des Marktplatzes wirtschaftlich für Betreiber und Nutzer lohnt.