„Mit dem Energievirus infiziert“

h_da-Alumnus Carsten Herbert informiert als ENERGIESPARKOMMISSAR höchst erfolgreich auf YouTube und in Vorträgen über Wärmepumpen, Klimaschutz und neue Techniken

Carsten Herbert kennen viele Menschen unter seinem Pseudonym „Der ENERGIESPARKOMMISSAR“. Über elf Millionen Aufrufe haben seine rund 80 Videos bei YouTube unterdessen, in denen er über Energieeffizienz oder Wärmepumpen informiert. Mit seinen Vorträgen füllt er Hallen von Flensburg bis Konstanz. Der Alumnus der Hochschule Darmstadt hat Bauingenieurwesen studiert und sich Ende der 1990er Jahren auf den bis dahin wenig beachteten Energie-Schwerpunkt spezialisiert, den er heute als sein „Lebensthema“ bezeichnet.

Bei einer Zugfahrt von Köln nach Frankfurt hatte er die zündende Idee. „Ich steckte damals in einer Lebenskrise“, erinnert sich der 57-Jährige. Die Freundin studierte weit entfernt am Rhein und mit seinem eigenen Studium in Darmstadt kam er irgendwie nicht voran. Das Grundstudium an der Hochschule Darmstadt hatte Carsten Herbert zwar in der Tasche, „aber ich hatte das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken, weil ich Bauingenieur im klassischen Sinne eigentlich nicht werden wollte“. In dieser trüben Stimmung reiste er an einem Sonntagabend zurück nach Hause, als er mit dem Zug an der Skyline Frankfurts vorbeifuhr. „Alles war hell erleuchtet. Ein riesiges, nicht enden wollendes Lichtermeer. Eigentlich schön anzusehen, aber ich fragte mich, warum in aller Welt ist alles so hell beleuchtet. Muss das wirklich sein? Könnte man da nicht unglaublich viel Energie und Ressourcen sparen, wenn man das Licht gezielter und sparsamer einsetzt?“, schildert er den damaligen Augenblick.

Die Geburt des ENERGIESPARKOMMISSAR

Dieser Moment habe in seinem Kopf eine Fragenlawine ausgelöst. „Das Energievirus hatte mich infiziert.“ Von da an wollte er wissen, warum das Licht in Frankfurt so hell brennt, woher der Strom dafür kommt oder wie Kraftwerke organisiert sind. „Bereits als ich zuhause ankam, begann ich zu recherchieren, zu lesen und mich weiterzubilden. Mein Studium nutzte ich ab sofort, um alle Veranstaltungen zu belegen, die auch nur im Entferntesten mit Energie zu tun hatten. Ich wühlte mich regelrecht ins Thema ein.“ Carsten Herbert hatte seine Bestimmung gefunden, sein „Lebensthema“, wie der Alumnus es nennt.

Herbert ist im Landkreis Darmstadt-Dieburg aufgewachsen, hat seine Ferien auf Mähdreschern des elterlichen landwirtschaftlichen Lohnunternehmens verbracht und nach der Schule in der Industrie eine Ausbildung zum Elektrogerätemechaniker und Energiegeräteelektroniker gemacht. „Die Idee für das Studium kam spontan“, sagt er heute. Darauf gebracht hat ihn damals sein Cousin, der sich für einen Studienplatz in Bauingenieurwesen an der h_da einschreiben wollte. 1994 begann Herbert sein Diplom-Studium an der Hochschule Darmstadt. Mitte/Ende der 90er Jahre war die Notwendigkeit zum Energiesparen und zur Energieeffizienz noch nicht im Alltag angekommen. „Im Studium war das Thema Energie eher untergeordnet und spielte kaum eine Rolle“, sagt er. Als er sich darauf spezialisierte, war er unter den ersten, die sich in dieses Metier vertieften.

Ein Sechser im Lotto

Dabei war Darmstadt zu dieser Zeit schon weiter. Das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) war bereits eine der ersten Adressen in der Republik in der Energieforschung für Wohngebäude. Einer der früheren IWU-Mitarbeiter hatte das Passivhaus-Institut gegründet. Carsten Herbert verschlang die Veröffentlichungen des Institutes. Als er sich dort um ein studienbegleitendes, berufspraktisches Semester bewarb und einen Werkvertrag erhielt, „war das wie ein Sechser im Lotto für mich“. „Ich bin jeden Tag hoch motiviert dorthin gegangen und konnte mein Glück kaum fassen“, erzählt er. Voller Enthusiasmus legte er sich ins Zeug - etwa bei der Arbeit am ökologischen Mietspiegel für Darmstadt, erhielt weitere Werkverträge und schrieb später dort auch seine Diplomarbeit zum Thema „Energetisches Sanierungskonzept eines denkmalgeschützten Fachwerkhauses“.

Nach dem Studienabschluss blieb Herbert beim IWU und arbeitete am hessenweiten Impulsprogramm zum Thema Energiesparen mit, das jedoch wegen Mittelkürzungen des Landes nach etwas mehr als einem Jahr eingestellt wurde. Danach entschloss der h_da-Alumnus sich als Energieberater selbstständig zu machen und gründete 2004 das Büro „ENERGIE & HAUS“ in Darmstadt. „Ohne mein Ingenieurstudium hätte ich ein solches Büro nicht gründen können“, ist er im Rückblick dankbar für seine Zeit an der Hochschule. „Mit meinem Studium konnte ich auch Neubaukonzepte für Baugesellschaften entwerfen oder Städte und Kommunen beraten. Das war ein großer Vorteil, um wirtschaftlich bestehen zu können“, sagt er.

Expertenwissen weitergeben

Sein Büro, das später teilweise aus einem bis zu zehnköpfigem Beratungsteam bestand, war zu dieser Zeit ein Exot. „Die Energieeffizienz in den Mittelpunkt zu stellen, war ein Novum. Da waren wir Trendsetter“, ist der 57-Jährige überzeugt. Carsten Herbert wollte unbedingt mit seiner Arbeit einen „relevanten Beitrag für die Gesellschaft leisten“. Er und seine Mitarbeitenden entwickelten beispielsweise in Lizenz einen Online-Rechner für Energieeffizienz und Energiekennwert, den Stadtwerke, Städte und Kommunen für ihre Immobilien und Gebäude nutzen konnten. Sie waren auch die ersten, die in einem Portal über Wärmebrücken in Bauten informierten. „Ich habe schon früh mein Expertenwissen nach außen tragen wollen“, sagt Herbert. Der Alumnus hat auch zwei Bücher für Laien verfasst im Herder Verlag: „Alles, was Sie über Energiesparen wissen müssen“ und „Alles, was Sie über Wärmepumpen wissen müssen“. Derzeit ist ein weiteres für die Stiftung Warentest in Arbeit.

Mit der Corona-Pandemie kam für Carsten Herbert eine Wende. Zuvor hatte er bereits zwei Tage die Woche für das Land Hessen im Main-Kinzig-Kreis zehn Standorte als Energieberater für Bürger*innen betreut. Als die Beratungsstellen wegen der Pandemie schließen mussten, hatte der umtriebige Ingenieur plötzlich Zeit. „Ich recherchierte, ob es vergleichbare Beratungen online in den Sozialen Medien gab und fand nichts. Ok, dann mache ich das eben selbst“, beschloss er.

Vorträge, die die Menschen verstehen

Während des Lockdowns entstanden seine ersten Videos als ENERGIESPARKOMMISSAR auf YouTube. Er hatte dort einen Account und eigenen Kanal angemeldet und legte los - anfangs ohne Erfahrung und ziemlich provisorisch im Probenraum der Musikbands seines Cousins. „Ich habe vor einer grünen Leinwand gestanden und wir haben einfach die Kamera draufgehalten“, lacht er. Die ersten Auftritte waren noch etwas steif, doch das hat sich deutlich verbessert. Heute – fünf Jahre und über 80 Videos später – spricht der Alumnus mit der schwarzen Brille und dem Pferdeschwanz ganz locker ohne Redemanuskript vor tausenden Zuschauenden in großen Hallen. Er erklärt, wie Wärmepumpen funktionieren oder Wohnungen und Häuser energieeffizienter gestaltet werden können. „Ich halte keine technischen Vorträge, sondern erzähle immer wieder auch Geschichten. Mir ist es wichtig, dass die Menschen verstehen, worum es geht.“ Er hat sich ein breites Wissen angeeignet, das er gut und verständlich kommunizieren kann.

Seit 2020 sind seine Videos elf Millionen Mal aufgerufen worden, hat er fast 130.000 Abonnements im Netz. 2025 hat er sich aus seinem Büro in Darmstadt zurückgezogen und konzentriert sich nurmehr auf seine Videos, Vorträge und Bücher. Allein in diesem Jahr war er zu 45 Vorträgen quer durch die Republik unterwegs und hat 14 Filmbeiträge online gestellt. Sein Hobby als Gitarrist in einer Band hat er bereits während des Studiums zugunsten seiner Mission aufgegeben, die er als „gesellschaftlich, wichtige Aufgabe“ ansieht. „Energiesparen ist Ressourcenschonung, Klimaschutz, wirtschaftsfördernd und für uns als Staat außerdem noch sicherheitsrelevant“, betont er.

Extrem positive Rückmeldungen

Die Menschen lieben den ENERGIESPARKOMMISSAR für seine verständlichen Erklärungen. Gasknappheit, Krieg, Klimawandel und nicht zuletzt das Heizungsgesetz haben viele verunsichert. „Es waren und sind viele Falschmeldungen im Umlauf“, sagt Carsten Herbert. „Die Leute brauchen jemanden, der sie mit vertrauensvollen und hilfreichen Informationen versorgt.“ Die Rückmeldungen auf seine Videos und Vorträge sind zahlreich, dankbar und positiv. „Das ist extrem motivierend für mich und deshalb werde ich weitermachen“, verspricht der h_da-Alumnus. Und ist schon unterwegs in die Niederlande, um sich dort über die nächste, möglicherweise vielversprechende Technik zu informieren –Photothermie- oder PVT-Kollektoren, die Solarthermie, Photovoltaik und Wärmepumpen als Energiesystem für Wohngebäude verbinden.

Autor

Astrid Ludwig
Dezember 2025