Deutschland mi amor

Gabriela Arias Bravo stammt aus Ecuador. Die Südamerikanerin hat ihren Masterabschluss in Medienentwicklung – heute Media, Technology and Society – am Campus in Dieburg gemacht. Deutschland wurde zu ihrer zweiten Heimat und auch an der h_da ist sie geblieben. Seit mehreren Jahren schon berät die 28-Jährige im Student Service Center der Hochschule internationale Studierende.

„Im Nachhinein“, sagt Gabriela Arias Bravo, „war es Glück oder vielleicht war es Schicksal.“ Sie glaube ans Schicksal, erklärt sie lachend. An der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg hatte die Ecuadorianerin 2014 ihren Bachelor in Kultur- und Medienbildung abgeschlossen und sich dort gleich für den Master beworben. Doch weil sich der Studiengang Medienentwicklung der Hochschule Darmstadt ebenfalls spannend anhörte, bemühte sie sich auch an der h_da um einen Platz. Vermutlich, gibt sie zu, wäre sie in Ludwigsburg geblieben, „aus Bequemlichkeit“. Dann aber kam von dort eine Absage und aus Darmstadt die Zusage. Zum Glück, wie gesagt.

„Ich mag Darmstadt. Die Stadt hat mich sehr überrascht“, erzählt Gabriela Arias Bravo. Sie wusste, dass es dort viele Studierende gibt und die Stadt für Kultur und Jugendstil bekannt ist. Die Überschaubarkeit der kleinen Großstadt gefiel ihr gut. Frankfurt und der Flughafen waren nah. Das fand sie reizvoll, „weil ich regelmäßig meine Familie in Ecuador besuche“. Dass der Medien- und Wirtschaftscampus der h_da jedoch in Dieburg liegt, erfuhr sie erst als sie ankam. „Zunächst hat mich das erschreckt“, räumt sie ein. Doch das tägliche Pendeln wurde schnell Routine. Die damals 23-Jährige zog in eine Wohngemeinschaft im Martinsviertel. „Ich habe in Darmstadt gelebt und in Dieburg studiert.“

Einzige internationale Studentin in ihrem Studiengang

Die junge Frau aus Südamerika war 2015 die einzige internationale Studierende in ihrem Masterstudiengang in Dieburg. Daran war sie gewöhnt. Das war schon in Ludwigsburg nicht anders. Im Bereich Kultur und Medien finden sich traditionell weniger Studierende aus dem Ausland als etwa in natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Fächern. Für Arias Bravo war das einerlei. „Ich fühlte mich ohnehin schon fast deutsch“, erklärt sie.

In ihrer Heimat hatte sie seit ihrem 13. Lebensjahr die Deutsche Schule in Cuenca im Süden Ecuadors besucht. Schon ihre älteste Schwester war als Au-pair nach Deutschland gegangen und zum Politikstudium in Freiburg geblieben. Erste Sprachkenntnisse hatte ihr die Schwester gelehrt, doch als sie an die Schule wechselte, war Deutsch zunächst eine Herausforderung. Nach zwei Monaten Privatunterricht war sie jedoch auf gleichem Niveau wie ihre Mitschüler*innen. „Vorher habe ich mich eher für Englisch begeistert, doch dann habe ich Freude an der Sprache entwickelt. Und wenn ich mit anderen Menschen Deutsch sprach, war das plötzlich ein ganz anderes Sprachgefühl“, erinnert sie sich.

Ein Kulturzentrum in Ecuador

In der elften Klasse reiste Gabriela Arias Bravo zum Schüleraustausch für ein paar Wochen in die Nähe von Ulm. „Dort habe ich mich wie jemand anderes gefühlt. Ich habe mich plötzlich mehr getraut als in Ecuador.“ Danach stand fest: „Ich wollte unbedingt zurückkommen und zwar für eine längere Zeit.“ Sprachen, Kunst und Theater begeisterten sie schon als Jugendliche, ein Studium in Deutschland in dieser Fachrichtung konnte sie sich gut vorstellen. Ihr Traum: „Ich wollte anschließend ein Kulturzentrum in Ecuador gründen.“

In Darmstadt spezialisierte sich die junge Studentin auf digitale Medien. Die meisten ihrer Kommiliton*innen hatten ihren Bachelor zuvor in Onlinejournalismus gemacht. „Ich war die Einzige, die aus der medienpädagogischen Ecke kam.“ Das Studium und die Arbeit mit den unterschiedlichsten Medienformaten gefiel ihr gut. „Wir waren eine kleine Gruppe, nur rund zwölf Studierende.“ Arias Bravo schätzte die Praxiserfahrung und den engen Kontakt zu den Lehrenden. „Ich konnte immer direkt meine Fragen stellen“. Im dritten Semester hielt sie Vorträge über ihre Erfahrung als internationale Studierende für den Bachelorstudiengang Onlinejournalismus und arbeitete als Tutorin. Es war ihr Professor, der sie dann auf eine Stellenausschreibung beim Student Service Center der h_da aufmerksam machte. Das passte perfekt. 2016 und 2017 arbeitete sie neben ihrem Masterstudium daher als studentische Mitarbeiterin für die internationale Studienberatung.

Aus der Orientierungsphase wurde eine Festanstellung

Als sie sich nach dem Masterabschluss 2017 erfolgreich im Student Service Center (SSC) bewarb und ihr eine Stelle angeboten wurde, griff sie zu. „Ich war gerade in der beruflichen Orientierungsphase.“ Zunächst befristet, arbeitete sie als Webredakteurin. „Das hat viel Spaß gemacht und hat meine Kreativität angesprochen.“ Die Online-Arbeit verknüpfte sie erfolgreich mit der Beratung im SSC – und macht das seit 2018 sogar in unbefristeter Festanstellung. Die Ecuadorianerin kümmert sich vor allem um die internationalen Studierenden, die an die h_da kommen. Die Erfahrungen, die sie selbst als Studentin in Deutschland gemacht hat, helfen ihr dabei und machen ihren Rat authentisch. „Ich habe alles selbst erlebt, weiß worum es geht. Ich kann eine ganz andere Art der Empathie vermitteln“, sagt sie. Weil die Studierenden sie an ihrem Namen als Südamerikanerin identifizieren, wird sie oftmals gleich auf Spanisch angesprochen. „Das hilft bei der Erklärung komplexer Behördenthemen.“ Spezialisiert hat sie sich in der Beratung auf das Aufenthaltsrecht. Was müssen internationale Studierende beachten, wenn sie nach Deutschland kommen, was hilft beim Umgang mit der Ausländerbehörde? „Ich kann Ängste nehmen“, berichtet Gabriela Arias Bravo. Ihre Sprechstunden laufen wegen der Pandemie derzeit meist telefonisch und per Videokonferenz ab. Das ist oftmals sogar einfacher als bei persönlichem Erscheinen. „Die Hürde für die Beratung ist viel niedriger“, so ihre Erfahrung.

Einbürgerungsantrag gestellt

Ihre eigene Familie – Eltern und zwei weitere Schwestern – hat die Südamerikanerin seit zwei Jahren nicht gesehen. Im Sommer 2020 war alles für einen mehrwöchigen Aufenthalt in Ecuador geplant, doch dann kam Corona und sie konnte nicht fliegen. „Aber wir haben viel Kontakt über Video.“ Ihre ältere Schwester lebt unterdessen mit ihrem Mann in Dänemark. Auch dorthin hofft sie 2021 wieder reisen zu können.

Im April 2021 lebt Gabriela Arias Bravo zehn Jahre in Deutschland. „Ich bin sehr glücklich und privilegiert, hier leben zu dürfen.“ Sie hat sogar einen Einbürgerungsantrag gestellt. „Ich würde mich riesig freuen, wenn der zum Jubiläum bewilligt würde“, hofft sie. Mit ihrem Freund wohnt sie mittlerweile in Griesheim in einer gemeinsamen Wohnung. Und der Traum vom Kulturzentrum in Ecuador? Sie lacht. Vielleicht gehe sie irgendwann mal zurück, sagt sie. „Ecuador ist meine erste Heimat und das Kulturzentrum mein Lebensprojekt. Aber vielleicht bin ich noch zu jung dafür.“

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Autorin

Astrid Ludwig
Dezember 2020