Unsere niederländischen Nachbarn sind seit langem Vorreiter in Sachen fahrrad- und fußgängerfreundlicher Verkehrsplanung. Doch funktionieren die dort gewählten Lösungen auch hier? In Darmstadt ergründen dies die Mobilitätsforscher um Prof. Dr. Axel Wolfermann am Beispiel der sogenannten „Holländischen Kreuzung“. In diesem Modell wird der Radverkehr vom Autoverkehr getrennt, was Attraktivität und Sicherheit für Rad- und Fußverkehr erhöhen soll. Genau das plant die Stadt Darmstadt mit wissenschaftlicher Begleitung durch die Hochschule Darmstadt am Verkehrsknoten von Landgraf-Georg-Straße, Teichhausstraße und Pützerstraße. Das Bundesverkehrsministerium fördert das Vorhaben mit 1,75 Millionen Euro aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans.
Von Nico Damm, Redakteur Hochschulkommunikation
Die Verkehrsforschung zeigt: Verkehrsknotenpunkte sind die gefährlichsten Orte für Radfahrerinnen und Radfahrer. Dort passieren mit Abstand die meisten schweren Unfälle – oft etwa, wenn rechtsabbiegende Fahrerinnen und Fahrer Menschen auf dem Fahrrad übersehen. Zudem kreuzen an sogenannten Fahrradweichen häufig rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge den Radverkehr – so auch am Ort des neuen Projekts. Radlerinnen und Radler haben also links und rechts von sich Autos und LKW. Einige sprechen angesichts dieser Situation gar von „Angstweichen“. Ein Schritt hin zu mehr Sicherheit für alle im Straßenverkehr könnte die sogenannte „Holländische Kreuzung“ sein. Eine solche wird bis zum Jahr 2024 an der Landgraf-Georg-Straße, Teichhausstraße und Pützerstraße realisiert – einem zentralen Knotenpunkt in der Stadt unweit des Jugendstilbads. Der Umbau ist Teil des Sonderinvestitionsprogramms „4X4 Rad“ der Stadt Darmstadt – eine Reaktion auf den „Radentscheid“. Das Vorhaben wird vom Bundesverkehrsministerium mit 1,75 Millionen Euro gefördert. Es ist das bisher einzige Projekt dieser Art in Deutschland.
In den Niederlanden setzt man seit den 1970er Jahren auf bauliche Trennung des Fuß- und Radverkehrs vom Autoverkehr – auch an Kreuzungen. Schutzinseln sollen dafür sorgen, dass abbiegende Fahrzeuge langsam fahren und freien Blick auf den kreuzenden Radverkehr haben. Zudem haben Radfahrende dadurch einen geschützten Wartebereich, wenn sie die Straße überqueren wollen.
„Ein solches Kreuzungsdesign kann ein wichtiger Beitrag zu mehr Attraktivität für den Radverkehr sein, ein höheres Sicherheitsgefühl vermitteln und stellt sich hoffentlich – das gilt es zu untersuchen – auch als mindestens so sicher wie alternative Führungsformen heraus“, sagt Mobilitätsexperte Prof. Dr. Axel Wolfermann vom Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen der h_da, der das Projekt wissenschaftlich begleitet. Wolfermann und sein Team werden in verschiedenen Verkehrsversuchen ergründen, welches Kreuzungsdesign im konkreten Fall ideal ist. „Sicherheit und Verkehrsqualität für alle Menschen, die an der Kreuzung unterwegs sind, sind hier zentrale Faktoren“, sagt Wolfermann. Dabei sehen die Wissenschaftler:innen nicht nur in die Niederlande, sondern auch in andere Länder wie zum Beispiel Großbritannien, das mit dem „Manchester-Modell“ eine ähnliche Variante realisiert hat. Denn auch die „Holländische Kreuzung“ ist kein Allheilmittel. So wird etwa der hohe Platzbedarf kritisiert und selbst die erhöhte Sicherheit für Radfahrende beim Rechtsabbiegen stellen einige in Frage. Auch können neue Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr entstehen. „Solche Fragen werden wir in den Versuchen vor Ort klären“, sagt Wolfermann. Um einzelne Varianten zu testen, wird die Kreuzung zunächst mit Markierungen und leicht versetzbaren Elementen gestaltet. Letztlich wird das Team aus der Stadt Darmstadt, der h_da und weiteren Expertinnen und Experten eine Variante empfehlen, die dann hoffentlich zeitnah mit dem Rückenwind der Politik dauerhaft umgesetzt werden kann.