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Die Sprache der neuen Moral: Vom Statuskampf zum Moralspektakel
„Sexismus“, „struktureller Rassismus“, „Islamophobie“, „Bodyshaming“, „Trauma“, „Intersektionalität“, „Privileg“, „Diversität“, „Patriarchat“, „toxische Maskulinität“, „kulturelle Aneignung“: Die Begriffe der sozialen Gerechtigkeit sind schwer zu übersehen. Sie sind in vielen Fällen nicht nur weiter gefasst als noch vor einiger Zeit (concept creep), sondern vor etwa zehn Jahren schoss auch ihre Frequenz in den Medien und der Wissenschaft weltweit steil in die Höhe.
Gründe dafür sind nicht nur gestiegene Ansprüche (Tocqueville-Paradox), selektiver Medienkonsum und eine allgemeine kognitive Negativverzerrung, sondern auch ein kommunikativer Aspekt: Moralisches Vokabular, politische Ideen und argumentative Taktiken verbreiten sich dann besonders schnell, wenn man sie für den eigenen sozialen Status, also für Prestigegewinne, in Gruppenkonflikten und im Konkurrenzkampf einsetzen kann.
Im Vortrag analysiert Philipp Hübel die Sprache der Moral als Teil eines Statusspiels, das Menschen schon immer gespielt haben. Allerdings hat es sich unser moralisches Reputationsmanagement grundlegend verändert, denn digitale Kommunikation ist kontextarm, halbanonym, und sie führt zu moralischer Vereindeutigung, gegenseitiger Überwachung und schneller sozialer Ansteckung.