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„DISC3D“ (Darmstadt Insect Scanner 3D), gemeinsam entwickelt von Hochschule Darmstadt und TU Darmstadt. Bild: Hochschule Darmstadt/Gregor Schuster

Große Bühne für kleine Tiere


Ein an der Hochschule Darmstadt (h_da) und der Technischen Universität (TU) Darmstadt gemeinsam entwickelter Scanner ermöglicht die automatisierte digitale Archivierung konservierter Insekten - hochaufgelöst und in 3D. Die weltweit einmalige Entwicklung haben die Wissenschaftler in der Zeitschrift "ZooKeys" veröffentlicht.

Seit einigen Jahrzehnten ist ein massiver Schwund von Insekten zu beobachten: Heimische Schutzgebiete haben teilweise 75 Prozent der Insekten-Biomasse verloren. Es ist somit ein besonders dringliches Anliegen, die lokale und globale Diversität der Insekten zu dokumentieren und zu verstehen. Wissenschaftler der Hochschule Darmstadt und der TU Darmstadt haben hierfür gemeinsam einen neuartigen Scanner entwickelt, der konservierte Insekten hochauflösend und maßstabsgetreu digitalisiert. Der Scanner soll einen wertvollen Beitrag zur digitalen Dokumentation der Biodiversität leisten. Denn auch die in Sammlungen konservierten Insekten sind in Gefahr: Sie drohen durch natürlichen Verfall und durch Schädlinge wie den Museumskäfer nach und nach verloren zu gehen. Mit der Digitalisierung können die in naturkundlichen Museen archivierten Insekten, immerhin über eine Million unterschiedliche Arten, nicht nur für die Zukunft erhalten, sondern auch weltweit online zugänglich gemacht werden.

Die Arbeitsgruppe 'Ökologische Netzwerke' an der TU Darmstadt untersucht den Einfluss von Landnutzung und Klimawandel auf Artengemeinschaften und morphologische Merkmale von Insekten und Spinnentieren. Zwar gibt es bereits zahlreiche fotografische Dokumentationen von Insektensammlungen, aber die Reduzierung der dreidimensionalen Tiere auf zweidimensionale Bilder ist äußerst unbefriedigend. "Es lassen sich anhand von einzelnen Fotos kaum alle wichtigen Merkmale erkennen, und deren räumliche Bezüge zueinander sind nicht darstellbar", so der Ökologe Michael Heethoff. Es musste also ein 3D-Insektenscanner her. Hier kam Bernhard Ströbel vom Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften der Hochschule Darmstadt mit seiner langjährigen Erfahrung im Bereich der optischen 3D-Vermessung ins Spiel.

Vier Jahre dauerte die gemeinsame Entwicklung des Geräts "DISC3D" (Darmstadt Insect Scanner 3D). Mittlerweile ist der Prototyp im Routine-Einsatz und für die weitgehend automatische Datenaufnahme optimiert. Für den Scan wird ein genadeltes Insekt in der Mitte von zwei Halbkugeln montiert, die das Exemplar allseitig indirekt ausleuchten. Ein motorbetriebener Schlitten fährt eine Kamera vor und zurück, während diese kontinuierlich Bilder aufnimmt. Das Insekt wird von Schrittmotoren in regelmäßigen Abständen um zwei Achsen gedreht, um Aufnahmen aus allen Richtungen zu ermöglichen. So entstehen rund 25.000 digitale Einzelbilder aus 400 verschiedenen Raumrichtungen, die miteinander verrechnet werden. Aus diesen Bildern werden dann dreidimensionale Modelle generiert, auf welche die fotografische Oberfläche (Textur) der Insekten digital aufgebracht wird. So entstehen farb- und größengetreue 3D-Modelle der Tiere, welche am Computer betrachtet, gedreht, gezoomt, vermessen und in Datenbanken der Museen kuratiert werden können.

"Der Scanner kann in seiner momentanen Konfiguration Insekten verschiedenster Größen erfassen - von zwei Millimeter kleinen Fliegen bis zu Tieren von der Größe eines Maikäfers", sagt Ströbel. Die Modelle können vergrößert und mit dem 3D-Drucker ausgedruckt werden - interessant etwa auch für die Museumspädagogik. Einige Museen und Forschungseinrichtungen haben bereits Interesse an dem Scanner bekundet und mit dem Nachbau begonnen. Das Gerät verwendet zwar auch kommerzielle Software, ist aber prinzipiell als offenes Projekt konzipiert, das kostengünstig selbst realisiert werden kann. Die Entwickler hoffen so auf zahlreiche - auch private - Nachahmer, damit das Ziel einer groß angelegten Digitalisierung der Insektensammlungen an den Museen auch umgesetzt werden kann. Interessentinnen und Interessenten stellen sie auf Anfrage den Bauplan des Geräts zur Verfügung und hoffen im Gegenzug auf eine Mitarbeit bei der Weiterentwicklung.

Die gemeinsame Initiative der beiden Hochschulen ist ein Beispiel, wie sich durch interdisziplinäre Zusammenarbeit neue Anwendungsfelder für die Digitalisierung eröffnen. Darmstadt als Gewinnerin des Wettbewerbs "Digitale Stadt" 2017, die Technische Universität mit ihrem zentralen Profilbereich "Internet und Digitalisierung" und die Hochschule Darmstadt mit ihrem Studienbereich "Optotechnik und Bildverarbeitung" bieten ideale Voraussetzungen für das Anliegen der Ökologen.

Die Veröffentlichung in der Zeitschrift "ZooKeys" ist online hier abrufbar:

https://zookeys.pensoft.net/article/24584/