Pia A. Döll studierte Ende der 1980er-Jahre Innenarchitektur an der Hochschule Darmstadt. Die h_da gab ihr eine gute Ausbildung mit auf den Weg, sagt die gebürtige Frankfurterin. Sie muss es wissen: Als Präsidentin des Bundes Deutscher Innenarchitekten befasst sich Pia A. Döll auch intensiv mit Aus-, Fort- und Weiterbildung. Ihre Verbandsarbeit führt sie an Hochschulen deutschlandweit. Die Leistungen von Innenarchitekt:innen, kritisiert sie, würden noch immer unterschätzt.
Ihr Kalender ist randvoll: Im September weilte sie beim European Council of Interior Architects (ECIA) in Florenz, im Oktober stand in Detmold das Jubiläum 70 Jahre Bund Deutscher Innenarchitekten (bdia) an, es folgen regelmäßige Präsidiums- und Bundesratssitzungen in Berlin sowie eigene Bauprojekte in Frankfurt. Pia A. Döll führt nicht nur ihr eigenes Innenarchitekturbüro, sie ist auch Präsidentin des Bundes Deutscher Innenarchitekten und zudem Sachverständige für Honorare von Architektenleistungen. Zusammen mit Vertreter:innen von Bund, Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Kammern und privaten Bauherren arbeitet sie derzeit in einer Facharbeitsgruppe des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen an der Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Zeit zum Verschnaufen bleibt da wenig – und das, wo eine Vielzahl dieser Aufgaben rein ehrenamtlich ist.
Schiefe Bilder korrigieren
Ihr Engagement hat Tradition. Schon seit Hochschultagen arbeitet sie im bdia mit. Verbandsarbeit, Austausch im Kollegium, Kontakte in die Wirtschaft und Networking waren ihr schon während des Studiums wichtig. „Nur im Team kann man etwas erreichen“, ist Pia A. Döll überzeugt. Viele Jahre war die gebürtige Frankfurterin zunächst ehrenamtliche Landesvorsitzende im bdia Hessen, später Vizepräsidentin im Bundespräsidium Berlin und seit 2019 dessen Präsidentin. „Der Berufsstand der Innenarchitekt:innen wird unterschätzt“, bedauert sie. Schiefe Bilder von ihrer Arbeit will sie korrigieren. „Wir sind Spezialisten für das Bauen im Bestand“, betont sie. Viele hätten die Vorstellung, Innenarchitekt:innen hübschten lediglich Wohnungen auf. „Das stimmt nicht. Ich plane Modernisierungen, Instandsetzungen oder übernehme auch komplette Umbauten von Häusern.“
In den ersten Semestern habe sie Projekte im Hochbau geplant, später im Studium Praktika in Messebau und Architekturbüro absolviert. „Das war ein Kick, wo man erste Erfahrungen sammeln konnte“, erinnert sie sich. Auch das Begleitstudium Sozial- und Kulturwissenschaften (SuK), das sie als Studentin belegen musste, habe einen Blick über den Tellerrand ermöglicht. Kompetenzen wie Teambildung hätten die Lehrenden ebenfalls gefördert. „Wir hatten die Möglichkeit, uns als Persönlichkeit zu entfalten.“ Insgesamt fühlt sich Döll daher durch ihr Studium an der h_da gut ausgebildet. „Ich bin stolz, dass ich hier studiert habe.“ Ihre Arbeit als bdia-Präsidentin führt sie in viele Hochschulen bundesweit und auch immer mal wieder an die Hochschule Darmstadt. Sie kann also abschätzen, wie gut an der h_da gelehrt wird“, sagt sie.
Viel gesehen von der Welt
Pia A. Dölls Weg war keineswegs geradlinig. Nach der Schule hat sie zunächst eine kaufmännische Lehre bei einem Reiseveranstalter in Frankfurt gemacht und insgesamt vier Jahre in der Branche gearbeitet. „Wir konnten damals überall kostenlos hinfliegen, wenn Plätze im Flieger frei blieben und so bin ich viel in der Welt herumgekommen.“ New York, Malediven, Mallorca oder Mexiko – irgendwann reichte ihr das nicht mehr. „Ich bin ein sehr wissbegieriger Mensch; ich wollte studieren.“ Architektur, Design, Innenarchitektur, diese Fächer reizten sie. Eine Bekannte schwärmte damals von ihrem Kommunikationsdesign-Studium an der h_da und so entschied sich Pia A. Döll für Darmstadt. Weil ein Studienplatz in Innenarchitektur frei war, schrieb sie sich ein. „Es war eher Zufall, aber auch mein Glück. Mein Beruf füllt mich aus und macht mir sehr viel Spaß. Ich habe meine Berufung gefunden“, erzählt sie.
Früh habe sie gemerkt, dass sich Familie und Beruf in der Innenarchitektur gut vereinen lassen. Zwei Kinder brachte sie noch während des Studiums zur Welt. „Ich konnte viel flexibel auch von zuhause arbeiten.“ Heute gibt es an der h_da dankenswerterweise auch Kinderbetreuungsangebote, lobt sie. Nach dem Diplom arbeitete sie vier Jahre lang als angehende Innenarchitektin in einem Architekturbüro, einem Innenarchitekturbüro und bei einem Ladenbau-Unternehmen, bevor sie Mitglied der Architektenkammer wurde und sich mit einem eigenen Büro in Eschborn selbstständig machte. Ohne den Eintrag in die Innenarchitektenliste der Architektenkammern, betont sie, können Absolvent:innen den Titel Innenarchitekt:in nicht führen. Zu ihren ersten Projekten als Selbstständige gehörten ein Kinderbetreuungsbereich bei der Lufthansa und der Umbau eines Hotels in Frankfurt. Sensibles Hinhören und das Erfassen der Bedürfnisse der Bauherren, so beschreibt sie die Grundlage ihrer Planungen. Zusammen mit den Bauherren erarbeitet sie ein Konzept, wobei sich heute viel um Bauen im Bestand und Nachhaltigkeitsaspekte dreht.
Was ist dran an Feng Shui?
Als Verfechterin des lebenslangen Lernens, bildet sich Döll konsequent weiter. Dazu gehörte dann in den Millenniumjahren auch eine Feng-Shui-Ausbildung. „Ich wollte dem auf den Grund gehen und erfahren, was dran ist an der chinesischen Harmonielehre und was sich davon übertragen lässt.“ Grundprinzipien wie Licht- und Sonneneinfall, Himmelsrichtungen oder Formensprache, ist die h_da-Alumna überzeugt, verwenden Innenarchitekt:innen jedoch sowieso intuitiv.
Bis 2014 stürzte sie sich in die Arbeit als Freiberuflerin und Landesvorsitzende Hessen des bdia, machte zudem eine Ausbildung und Zertifizierung als Sachverständige für Honorare von Architektenleistungen an der Akademie der Architektenkammer Baden-Württemberg. Immer Vollgas – bis sie das Gefühl hatte, „dass ich von heute auf morgen einen absoluten Ortswechsel brauchte“, erinnert sie sich. Sie wollte weg – möglichst weit weg. „Einfach schauen, was noch geht.“ Sie fuhr ihr Büro runter, gab ihre Wohnung und ihr bisheriges Leben auf und ging nach Singapur. „Ich wollte in einer Stadt leben, in der mich keiner kennt.“ Sie reiste quer durch Asien – immer mit einem Blick darauf, wie die Menschen dort wohnen, leben und arbeiten, wie sie Fragen der Energieversorgung oder Begrünung lösen. Eine Art Sabbatical und Lehrveranstaltung zugleich. „Es war spannend, allein in einer anderen Kultur und Gesellschaft mit vielen Menschen zu bestehen.“ Nach einem halben Jahr in Singapur lockte der deutsche Markt die Innenarchitektin zurück. Eines ihrer Projekte war ausgewählt am bundesweiten Tag der Architektur der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, viele Anfragen von Bauherren lagen vor und das erste Enkelkind kündigte sich an.
Büro in Frankfurt, gefragt in Berlin
Zurück in Deutschland nahm Pia A. Döll mit einem Büro in Frankfurt statt in Eschborn ihre Selbstständigkeit erneut auf. Sie engagierte sich wieder in der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen und im Bund Deutscher Innenarchitekten, diesmal als Vize-, und später als Präsidentin im bdia in Berlin. Eines ihrer Ziele: Sie will ihren Berufsstand fördern und sichtbarer machen sowie den Anteil an Frauen und Innenarchitekt:innen in der Lehre an den Hochschulen erhöhen. Für die Verbandsarbeit reist sie viel, konzentriert sich aktuell ebenfalls auf ihre Tätigkeit als Sachverständige und die Novellierung der „HOAI.202x“ über ihre Mitarbeit in der Fachgruppe. „Mir wird sicher auch in Zukunft nicht langweilig. Meine Bauherren haben spannende Projekte für mich in Vorbereitung.“
Mehr Zeit will die ehemalige Leistungsschwimmerin mit ihrer Familie verbringen, ihren Enkeln und ihrem Hobby: Rudern auf dem Main. „Das ist mein Ausgleich, da kann ich wunderbar abschalten.“ Natürlich rudert sie im Mannschaftsboot. Pia A. Döll ist Team-Playerin.
Astrid Ludwig
Oktober 2022