„Ich kenne die ganze Bandbreite“

Wandel ist eine Konstante im Leben von Dirk Aßmann-Staudt. Der Alumnus der Hochschule Darmstadt hat mehrere IT-Firmen gegründet und wieder verkauft. Mit manchen war er erfolgreich, mit anderen ist er gescheitert. Der Diplom-Informatiker war selbstständig, als Festangestellter in Führungspositionen tätig und auch Arbeitslosigkeit hat er erlebt. Facetten und Erfahrungen eines Berufslebens, die er heute als Buchautor sowie Bewerbungs- und Karrierecoach nutzt. Der 59-Jährige hat für sich ein Arbeitskonzept gefunden, das ihn glücklich macht.

Unstet, so beschreibt sich Dirk Aßmann-Staudt selbst. Allein zwanzigmal ist er in seinem Leben umgezogen, hat in Mannheim, Darmstadt oder auch im Schwarzwald gelebt. Seit dem Herbst vergangenen Jahres wohnt er in Bensheim an der Bergstraße. „Ich reise mit leichtem Gepäck“, sagt er. Materiellen Ballast hat der h_da-Alumnus in den vergangenen Jahren konsequent abgeworfen, den Besitzstand immer wieder aussortiert und auf das Nötigste reduziert. Das gibt ihm ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, auch weil er jederzeit den Ort wechseln kann. Seine Arbeitszeit hat er auf vier Tage die Woche heruntergefahren. Seit 2018 ist Dirk Aßmann-Staudt wieder als Selbstständiger tätig. „New Work“ lautet sein Credo und ein derzeit sehr gefragtes Arbeitskonzept, das berufliche Entwicklung mit persönlicher Entfaltung kombiniert. „Ich kann mir meine Zeit selbst einteilen. Ich kann arbeiten wann, wo und was ich möchte. Nach eigenen Wünschen und Fähigkeiten. So glücklich und zufrieden war ich mit meiner Arbeit noch nie“, zieht er persönlich Bilanz. Heute, sagt er, mache er sich das System passend statt sich anzupassen. Den Begriff Work-Life-Balance mag er nicht, weil nach wie vor oft die Arbeitgeberseite tonangebend sei. Work-Life-Blending, die Vermischung von Leben und Arbeit, sagt ihm mehr zu.

Ausbildung zum Familientherapeuten

Seine jahrzehntelange Berufserfahrung nutzt der 59-jährige Diplom-Informatiker seit vier Jahren für seine Arbeit als Bewerbungs-, Karriere- und Gründungscoach. Unter anderem in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit berät Aßmann-Staudt Arbeitssuchende oder solche, die einen Job haben, sich aber verändern möchten und vielleicht nach einer sinnstiftenden, nachhaltigen Arbeit streben. „WandelWerk“ heißt die Firma, die der Alumnus dafür gegründet hat. Er berät Menschen, wie eine „zeitgemäße, erfolgsbasierte“ Bewerbung aussehen sollte, hilft bei der Karriereplanung oder wie man sich mit Weitsicht selbstständig machen und eine Geschäftsidee platzieren kann. „Ich kenne die ganze Bandbreite der Arbeitswelt, alle Aspekte, die wichtig sind“, sagt Dirk Aßmann-Staudt. Von den Führungsstrukturen in der Industrie über moderne IT-Technologie, Medienkompetenz bis hin zu Trends und hybriden Arbeitsweisen. Sogar eine Ausbildung zum Familientherapeut hat er absolviert, die damals für ihn selbst und heute für seine Beratertätigkeit hilfreich ist.

Eine Zielklientel für sein Coaching ist die Generation 50+ und mit welchen Strategien sie dem rasanten technischen Wandel und IT-Neuerungen begegnen kann. Derzeit schreibt er an einem Buch, das er demnächst unter dem Titel „Fünf Stufen der beruflichen Persönlichkeitsentwicklung“ veröffentlichen will. Aßmann-Staudt ist auch Inhaber eines weiteren Unternehmens – der Darmstädter Firma „nachVorne denken“ – und befasst sich unter anderem mit aktuellen hybriden Arbeitskonzepten. Zusammen mit seiner Kollegin Verena Pankoke hat er 2020 etwa einen „Homeoffice-Kompass“ herausgegeben, einen 70-seitigen Ratgeber für eine nachhaltige Homeoffice-Strategie.

„Studium hat mich ein grundsätzliches Verständnis gelehrt“

Sein Informatik-Studium, das er 1992 an der Hochschule Darmstadt abschloss, war die Grundierung für seine heutige Selbstständigkeit. IT-Technologien und Digitalisierung sind das Handwerkszeug für die tägliche Arbeit. „Ich bin dankbar für das Studium. Es hat mich ein grundsätzliches Verständnis gelehrt. Ich weiß, wie ein Prozessor tickt, wie eine Verbindung zum Netzwerk funktioniert, wie man ein Programm schreibt. Ich kenne die Technologie und auch ihre Probleme. Davon profitiere ich bis heute“, sagt Aßmann-Staudt.

Der praktische Ansatz der Hochschule Darmstadt habe ihm als Student „sehr gutgetan“, erinnert er sich. Nach der Schule wusste er nicht recht, wohin die Reise gehen sollte und so absolvierte er zunächst eine Banklehre, merkte jedoch schnell, „dass das nichts für mich ist“. An der Mannheimer Universität studierte er danach vier eher freudlose Semester Betriebswirtschaft, wechselte in die Wirtschaftsinformatik an die TU Darmstadt, wo er „vier Semester überlebte“, erzählt er. Vor allem die sehr theoretische Ausrichtung beschreibt Aßmann-Staudt als enorm zeitaufwendig und nicht kompatibel mit der Führung des kleinen IT-Unternehmens, das er mit zwei Freunden 1985 bereits während des Studiums gegründet hatte. „Ein echtes Kellerunternehmen“, sagt er – ähnlich den Anfängen von Garagenfirmen, aus denen Ende der 70er-Jahre solche Hightech-Giganten wie Apple entstanden. Die Freunde programmierten ein ERP-System für die damals noch neuen Apple-Computer. ERP steht für Enterprise Resource Planning, Softwarelösung, die zur Ressourcenplanung eines Unternehmens dienen. Damit lässt sich eine Vielzahl von Geschäftsanwendungen und Betriebsdaten integrieren und in einer zentralen Datenbank verarbeiten.

Mehrere Firmen gegründet

Parallel zum Studium an der Hochschule Darmstadt arbeitete Aßmann-Staudt in seinem Start-up und entwickelte Datenbanken für Kunden. Später verkauften die Freunde die Firma und gründeten nach dem Studium ein neues Software-Unternehmen namens „Connectivity Mannheim“. „Wir nutzten den Internet-Boom in den 90er-Jahren.“ Der Angriff auf die Twin-Towers am 11. September 2001 jedoch war eine Zäsur. Zu ihren Kunden gehörten Werbe-Agenturen und Marketing-Firmen, die nach dem Anschlag und der nachfolgenden Krise in Schwierigkeiten gerieten. Das Software-Unternehmen musste von 35 auf vier Mitarbeiter heruntergefahren werden. „Das hat uns zu schaffen gemacht“, erinnert sich Aßmann-Staudt. Er stieg aus, verkaufte seine Anteile am Unternehmen. Ein neues Start-up zündete nicht wie erhofft. „Zum Lernweg gehört auch das Scheitern“, sagt der Alumnus heute. Danach jedoch wechselte er für 13 Jahre ins Angestelltenverhältnis, war in der IT-Branche als Abteilungs- oder Bereichsleiter unterwegs, für teilweise bis zu 70 Mitarbeitende verantwortlich.

Wegen eines drohenden Burn-outs kündigte er schließlich, war mehrere Monate arbeitslos. „Ich habe sehr viel Wechsel erlebt.“ Und sich immer wieder neu erfunden. Heute beschreibt sich Dirk Aßmann-Staudt als einen entspannten Selbstständigen statt gestressten Angestellten. Er hat bereits neue Pläne. Für ein paar Wochen möchte er vom Ausland aus arbeiten – „vielleicht Italien oder Frankreich“, überlegt er. Eine Annehmlichkeit der Digitalisierung, die Präsenz nicht mehr erforderlich macht. Und er wird als Wirtschaftsberater an einer UN-Mission im Nahen Osten teilnehmen. Auch da sind die Weichen schon gestellt.

Autorin

Astrid Ludwig
März 2022